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Geschichte der Stadt Gengenbach
Die Ursprünge der Stadt Gengenbach reichen bis in die Römerzeit zurück. Beim Bau der Militärstraße durch das Kinzigtal nach Rottweil in den Jahren 73/74 nach Christus unter Kaiser Vespasian legten die Römer auf dem Gengenbacher „Bergle“, wo heute die Jakobskapelle steht, vermutlich eine Sicherungs-, Verpflegungs- und Übernachtungsstation an. Eine römische Bildsäule mit der Aufschrift „Dem höchsten und besten Gotte Jupiter“ stand dort bis 1811. 1974 legten Archäologen auf Gengenbacher Gemarkung einen römischen Ziegelofen frei.
Der Reichenauer Abt Pirmin gründete um 725 das Kloster Gengenbach, dessen Grundherrschaft vom Schwiegenstein zwischen Haslach und Hausach bis zum Ausgang des Kinzigtals vor Ohlsbach reichte. Im Jahre 1007 schenkte der damalige Klosterherr Kaiser Heinrich II. (1002-1024) die Gengenbacher Abtei dem Bistum von Bamberg, das bis zu deren Aufhebung 1803 ihr Klosterherr blieb. Ausgehend vom Kloster entstanden in den umliegenden Tälern Haigerach, Ohlsbach und Reichenbach zur Versorgung der Mönche die ersten Bauernhöfe. Im Laufe der Zeit wurden auch Hüttersbach, Einach, Dantersbach, Schwaibach, Hetzental, Strohbach, Fußbach, Bermersbach, Wingerbach und Schönberg landwirtschaftlich erschlossen.
Im Rahmen der großen mittelalterlichen Stadtgründungswelle vom 12. bis 14. Jahrhundert, die der Sicherung und Versorgung der jeweils regierenden Herrschaft diente, gründete das Kloster unter seinem Abt Gotfried um 1230 die Stadt Gengenbach, die planmäßig mit den noch heute das Stadtbild prägenden Mauern, Türmen und Toren angelegt wurde zum Schutze der darin lebenden Bevölkerung. Die außerhalb des Klosterbezirks für das vom Kloster aus besiedelte Gebiet entstandene Leutkirche, die dem heiligen Martin geweiht ist, wurde zur Gengenbacher Stadtkirche. 1360 wurde Gengenbach zu einer der später so genannten Reichsstädte, die als autonome Stadtgemeinde des Heiligen Römischen Reiches allein dem Kaiser unterstand.
Das Gengenbacher Wappen hatte ursprünglich ein rotes Schild, darin einen gebogenen weißen oder silberfarbigen Lachs (Gangfisch oder Forche genannt). Am 28. März 1505 erhielt die Stadt von Kaiser Maximilian I. ein neues Wappen mit einem weißen oder silberfarbenen Schild mit einem aufrechten schwarzen Adler und ausgestreckten Flügeln, an dessen Brust das alte Wappen angebracht ist. Seit dieser Zeit befand sich auf dem städtischen Siegel die Umschrift: sigillum cancellariae civitatis imperialis de Gengenbach (Kanzleisiegel der Reichsstadt Gengenbach).
Im 16. Jahrhundert setzte Graf Wilhelm von Fürstenberg als Kastvogt der Abtei die Reformation in Gengenbach durch. Die neuen protestantischen Geistlichen gaben 1545 den gedruckten „Gengenbacher Katechismus“ zur Bekehrung der Bevölkerung heraus. Trotz all seiner Bemühungen gelang es dem Grafen Wilhelm jedoch nicht, sein eigentliches Ziel, sein Kinzigtäler Herrschaftsgebiet um das Gebiet des Gengenbacher Klosters zu erweitern, zu erreichen.
Nachdem es bereits im Laufe des 30-jährigen Krieges zu mehreren Belagerungen der Stadt Gengenbach gekommen war, so 1634 und 1643, die zu großen Schäden führten, brannten 1689 im Pfäzischen Erbfolgekrieg fast alle Gebäude der Stadt ab. Die bei Offenburg liegende französische Armee hatte von König Ludwig XIV. den Befehl erhalten, alle Städte der Umgebung zu zerstören. Im 18. Jahrhundert blieb Gengenbach weitgehend von kriegerischen Ereignissen verschont und entwickelte sich zu neuer Blüte. Doch genau 100 Jahre nach ihrer kriegsbedingten Zerstörung brach 1789 zur Fastnachtszeit ein großes Feuer aus, dem 50 Häuser zum Opfer fielen. Noch heute zeugt der Straßenname „Feuergasse“ davon. Auch die Folgen der französischen Revolution griffen zeitweise auf Gengenbach über. Im Rahmen der Neuordnung Europas durch Napoléon I. endete Gengenbachs Geschichte als Reichsstadt 1803 mit der Eingliederung in das neu gegründete Großherzogtum Baden. Es entstand der großherzoglich-badische Amtsbezirk Gengenbach, der 1872 zum Bezirksamt Offenburg (seit 1939 Landkreis Offenburg) kam. Seit 1973 gehört Gengenbach zu dem aus den ehemaligen Kreisen Offenburg, Kehl, Lahr, Bühl und Wolfach gebildeten Ortenaukreis.
Der Verlust der Hoheits- und Gerichtsrechte, die Abtrennung der Landstäbe und die Beschränkung auf ein kleines Stadtgebiet zerstörten das über die Jahrhunderte hinweg gewachsene ausgewogene Wirtschaftsgefüge und die Finanzen der Stadt. Von diesem großen Einschnitt erholte sich Gengenbach im 19. Jahrhundert nur langsam; erst die zunehmende Industrialisierung brachte der Stadt neue Einnahmenquellen und längerfristige Stabilität und Sicherheit. Die Stadt profitierte auch von der zwischen 1805 und 1838 durchgeführten Kinzigregulierung nach den Plänen des badischen Ingenieurs Johann Gottfried Tulla, durch die im Tal neue Flächen für die landwirtschaftliche und industrielle Nutzung entstanden. Dies ermöglichte auch den Bau neuer Verkehrswege. 1866 entstand der Bahnhof Gengenbach an der Eisenbahnstrecke von Offenburg bis Hausach, die 1873 über den Schwarzwald bis nach Konstanz verlängert wurde. Durch Wehre und Kanäle konnte nun außerdem die Kinzig in erhöhtem Maße zur Strom- und Krafterzeugung für Industriebetriebe genutzt werden. Auf der anderen Seite sorgte der industrielle und verkehrliche Fortschritt aber auch dafür, dass beispielsweise die Flößerei, die über Jahrhunderte hinweg für den Holztransport aus dem Schwarzwald hin zum Rhein und weiter bis nach Holland sorgte, 1895 ganz zum Erliegen kam.
In der durch das Kloster, mit Ausnahme der Reformationszeit, katholisch geprägten Stadt gab es bereits im 14. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde. Die heutige Engelgasse, die direkt an der Stadtmauer liegt und durch ihre zahlreichen Fachwerkbauten bekannt ist, hieß bis 1877 „Judengasse“, in der die Gengenbacher Juden lebten und arbeiteten. 1895 wurde in Gengenbach eine jüdische Filialgemeinde der jüdischen Gemeinde Offenburg gegründet. Von 1903 bis 1934 befand sich ihr Gebetsraum im zweiten Stock des alten Kaufhauses am Marktplatz. Viele der 30 jüdischen Bewohner, die 1933 hier noch lebten, verließen die Stadt in der Zeit des Nationalsozialismus. Zehn Gengenbacher Juden fielen dem Völkermord des nationalsozialistischen Regimes zum Opfer.
Die Entwicklung der Stadt Gengenbach nach dem 2. Weltkrieg zu einem überregional bedeutenden Industrie- und Bildungsstandort und die Bewahrung ihres historisch geprägten und bereits seit 1905 mit einer Gestaltungssatzung geschützten Altstadtkerns ist unter anderen ein Verdienst des langjährigen Gengenbacher Bürgermeisters Erhard Schrempp (1910-1970) und des seit 1943 hier wohnenden Schriftstellers Otto Ernst Sutter (1884-1970). Im Rahmen der baden-württembergischen Gebietsreform wurden die ehemals selbstständigen Gemeinden Schwaibach, Bermersbach und Reichenbach in den Jahren 1971 bzw. 1975 nach Gengenbach eingemeindet.
Verfasser: Frank Schrader